Dialog Consult GmbH

DIALOG CONSULT-Newsletter 1/2018

Gigabit-Netze im Koalitionsvertrag:
Zweifelhafte Versprechen

Februar 2018 – Im Koalitionsvertrag kündigen CDU, CSU und SPD an, dass sie „den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025“ erreichen wollen. Angesichts dessen, dass die letzten Regierungen unter Kanzlerin Merkel ihre Ziele zur Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen deutlich verfehlt haben, ist das mutig. Damit es besser wird, haben die Koalitionäre vier Hebel ausgemacht.

Erstens wollen sie bis Ende 2021 sich möglichst bis zum Haus erstreckende Glasfasernetze mit 10 bis 12 Mrd. EUR subventionieren. Ein Teil der Mittel soll aus Einnahmen „aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen“ kommen. Bei der nächsten Auktion von Mobilfunkfrequenzen werden – anders als 2000 als sich sieben Interessenten um Lizenzen bemühten – die drei etablierten Unternehmen zusammen kaum mehr als 3 bis 4 Mrd. EUR für die Frequenzen bieten. Somit könnten Gigabit-Netze in der aktuellen Legislaturperiode mit netto bis zu 9 Mrd. EUR subventioniert werden. Angesichts von Kapazitätsengpässen bei Tiefbau- und Netzmontageunternehmen ist allerdings zu bezweifeln, dass das Geld bis 2021 effizient ausgegeben werden kann. Zudem ist nicht sicher, dass nur in zukunftsfähige Anschlüsse investiert wird. Der Koalitionsvertrag sieht lediglich vor, Netze zu subventionieren, „die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden“. Somit bleibt die Option, weiter im Sinn der Deutschen Telekom VDSL-Netze zu fördern, deren Gigabit-Fähigkeit fraglich ist.

Die Vertragsautoren geben sich trotzdem sicher, dass sie durch die zusätzlichen Gelder für Breitbandnetze „das Ziel eines flächendeckenden Zugangs zum schnellen Internet aller Bürgerinnen und Bürger erreichen [werden]“. Deshalb wollen sie bis 2019 für Jedermann „einen rechtlich abgesicherten Anspruch zum 01.01.2025“ auf einen Breitbandanschluss schaffen. Dieses Vorhaben unterstützt den Netzausbau bis zum Ende der Legislaturperiode nicht. Mit einer Universaldienstauflage schafft man Unsicherheit bei Unternehmen, die in Netze investieren sollen. Sie werden abwarten, wie der Staat den Anspruch durch zusätzliche öffentliche Fördermittel nach 2021 unterfüttern wird und die Umsetzung von Ausbauplänen zurückstellen. Darüber hinaus hilft der Anspruch weder Privathaushalten noch Unternehmen, da nicht zu erkennen ist, wie und gegen wen er durchsetzbar sein wird.

Zweitens soll die Regierung „neue Anreize für den privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau schaffen“, indem sie „statt einer detaillierten ex-ante-Regulierung wie im bisherigen Kupfernetz .. ein Modell des diskriminierungsfreien Zugangs (im Sinne des Open-Access)“ mit einer „ex-post-Kontrolle in Streitfällen“ durch die Bundesnetzagentur realisiert. Dieser Regulierungsansatz für neue Breitbandinfrastrukturen ist prinzipiell sachgerecht. Der Teufel steckt im Regulierungsdetail. Diesbezüglich bleibt unklar, wie viel Wettbewerb die Regierung noch zulassen wird.

Drittens plant die Koalition die Mobilfunkversorgung insbesondere auf dem Land dadurch zu forcieren, dass das Prinzip „Neue Frequenzen nur gegen flächendeckende Versorgung“ gelten soll. Die Bundesnetzagentur wird zwar bald Frequenzen versteigern. Aber sie liegen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz, die sich zur kosteneffizienten Abdeckung dünn besiedelter Flächen wenig eignen. Passendes Spektrum steht erst ab 2026 zur Vergabe an. So lange wollen die Koalitionäre nicht warten. Sie verordnen, dass Frequenzen in unwirtschaftlicher Weise für flächendeckende 5G-Netze zu verwenden sind. Damit verkleinert man die Versteigerungserlöse, weil die Frequenzen durch sehr strenge Flächendeckungsauflagen an Wert verlieren. Die Einnahmeminderung erhöht für den gewünschten Glasfasernetzausbau das Volumen der Fördermittel, die aus anderen Quellen zu decken sind.

Viertens wollen Regierungsparteien „die Einrichtung einer Digitalagentur prüfen“. Die organisatorische Absicherung der Digitalpolitik durch Kompetenzzentralisierung wird über einen Prüfauftrag auf ein Abstellgleis geschoben. Verschiedene Ministerien werden weiter kaum koordiniert versuchen, die Digitalpolitik zu prägen.

Leider enthält der Koalitionsvertrag wenig Konkretes zur Stärkung der Nachfrage von Gigabit-Netzen z.B. durch steuerliche Anreize für Kleinunternehmen einen direkten Glasfaseranschluss zu nutzen. Auf dem „Weg in die digitale Verwaltung“ sollen bis 2021 gerade 1,5 EUR pro Einwohner und Jahr „für die Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“ ausgegeben werden. Die Regierungsparteien setzen bei eGovernment auf einen „Digitalrat“. Er verursacht kaum Kosten, seine Durchschlagskraft gleicht aber dem eines Wattebausches.

Alles in allem enthält der Koalitionsvertrag viele wohl klingende Worte zu Gigabit-Netzen. Sie werden jedoch nicht ausreichen, um die großen Versäumnisse der letzten drei Merkel-Kabinette auszugleichen und Deutschland bei digitalen Infrastrukturen an die Weltspitze zu führen.

Torsten J. Gerpott ist Professor für Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und Gründungsgesellschafter der Dialog Consult GmbH.